Vaterlosigkeit

Eltern bleiben - Ein Leben lang

Vaterlosigkeit

4. Februar 2020 Erziehung Gleichberechtigung Uncategorized 0

„Wenn man keinen guten Vater hat, so soll man sich einen anschaffen.“

Friedrich Wilhelm Nietzsche

Es gibt – gerade in Vätergruppen und bei Vaterrechtsaktivisten– gerne die Vorstellung, dass Väter nicht einfach so aus dem Leben ihrer geliebten Kinder verschwinden würden. Wenn sie es täten, könnte das nur das Ergebnis von Parental Alienation oder Eltern Kind Entfremdung sein, wird dann gerne unterstellt. Es spricht für die Liebe dieser Väter, wenn sie solch ein Verhalten unvorstellbar finden, aber ganz so einfach ist es manchmal doch nicht. Es gibt leider solche Väter. Oft ist es sicherlich eine Kombination aus mütterlicher Ausgrenzung und schneller väterlicher Kapitulation, aber es gibt auch Männer, die von sich aus die Segel streichen und ihre Kinder der Mutter überlassen, ohne den Kampf auch nur versucht zu haben. Vielleicht ist es die Aussicht, dass es ohnehin nur ein kostspieliges Unterfangen ist, bei dem sie von vornherein die schlechteren Karten haben, weil SIE – im Gegensatz zur Mutter – beweisen müssen, dass ihre Präsenz im Leben des Kindes für das Kindeswohl förderlich ist und ehrlich gesagt: Woher sollten sie das wissen, wenn sie z. B. selber nie einen präsenten Vater im Leben hatten?

Mein Vater

Ich weiß, dass es solche Väter gibt, weil mein Vater so ein Vater ist. Ich würde mir natürlich auch gerne einreden, er wäre einfach nur an meiner Mutter gescheitert, weil es mir das Gefühl geben würde ihm wichtig gewesen zu sein. Aber es gibt keine Aktenordner mit Anwaltsschreiben, mit denen er mir seine Mühe beweisen könnte. Viele Männer, mit denen ich über die Jahre gesprochen habe, bewahren so einen Ordner auf, um ihren Kindern ihre Mühe zu dokumentieren und ihnen zu zeigen, dass es nicht an ihnen gescheitert ist. Main Vater hat es einfach nicht getan. Wer einen Widerspruch zu entdecken glaubt, wenn ich mich an andere Stelle als entfremdetes Kind beschreibe, der sei versichert, dass ein Elternteil den Loyalitätskonflikt ihres Kindes auch dann als Waffe in ihrem Rosenkrieg missbrauchen kann, wenn der Ex-Partner schon lange aufgegeben hat. Oft geht es dann nur darum sich seine halbseidenen Entscheidungen zu rechtfertigen und den anderen verantwortlich für das daraus resultierende Leid zu machen. So habe ich meinen Vater auch nie für das gehasst, was er mir angetan hat (mich im Stich zu lassen und nur noch Teil seines neuen Lebens sein zu lassen, wenn er und seine neue Frau mal einen billigen Babysitter für meine Halbschwester brauchten), sondern für das, was ihn nach Meinung meiner Mutter hassenswert machte. für das was er ihr und meinen Brüdern angeblich angetan hat. Seiner Mutter vertraut man da ja meist blind. Und ich habe ihn gehasst. Ich habe ihn von meiner Abiturfeier, meinen Ersten künstlerischen Erfolgen, die in der Hamburger Lokalpresse Beachtung fanden, ebenso ferngehalten wie von meiner Hochzeit und von meinen Kindern. Und all die herzlichen Fotos, die ich aus der Zeit vor der Trennung mit ihm in meinen Fotoalben hatte, die habe ich komplett ausgeblendet.

Erfahrung macht klug

Erst als ich vor meiner eigenen Trennung stand, begann ich ihn zu verstehen, weil auch ich plötzlich eine despektierliche Ex-Frau hatte, die meinte all meine beruflichen Erfolge hätten ja nichts mit meinen Fähigkeiten zu tun, sondern einzig und allein damit, dass sie „mir den Rücken freigehalten hat“ und mich dazu genötigt hat auch mal mehr als 20 Stunden pro Woche zu arbeiten. Ich musste mich mit einer Frau auseinandersetzen, die mich am Telefon anpöbelte, während die Kinder neben ihr standen und vermuteten, das ich wohl ebenso am Telefon agierte. Und das bei Kindern bei deren Vaterschaftsanerkennung ich noch vom Jugendamtsmitarbeiter gesagt bekam „Rechte haben sie keine. Sie können einen Adoptionsantrag stellen, falls der Mutter etwas passiert.“ Es gab nicht einmal den Begriff „Umgangsrecht“ im Gesetz, als mein Sohn geboren wurde. Da habe ich die Reaktion meines Vaters verstanden. Da konnte ich nachvollziehen, dass er lieber den Enno Park gemacht und eine neue Frau gesucht hat und all die Verletzungen hinter sich zu lassen. Das kann manchmal wie der sinnvollere Weg aussehen, wenn Du als Vater vor dem Familiengericht immer noch als Elternteil zweiter Klasse behandelt wirst und Du Väter kennst die teilweise fünfstellige Betrage ausgegeben haben, um überhaupt noch eine Chance auf Teilhabe am Leben der Kinder zu haben. Während viele Jugendämter immer noch glauben es würde den Kindern irgendwie helfen, wenn man die Mutter erstmal zur Ruhe kommen lässt und die Kontaktblockade damit legitimiert wird.

Die Geschichte wiederholt sich

Ich habe vermutet, dass mein Vater nicht den Mut und die Kraft hatte sich damit auseinanderzusetzen. Und was noch viel schwerer wiegt: Er hat auch selber nie erlebt, wozu seine Kinder einen Vater brauchen würden oder wie man als Vater sein kann oder sollte. Als wir irgendwann mal unsere Aussprache hatten, die ich dieses Mal nicht in Form von Vorwürfen gestartet hatte, wie der verletzte Teenager 17 Jahre zuvor, sondern einfach mit einer Beschreibung wie die Abwesenheit eines Rollenvorbildes mir meinen eigenen Weg in die Vaterrolle erschwert hat. Da nickte er nur verständnisvoll und sagte:

„Ja, und wenn man selber keinen Vater hat, weiß man ja auch nicht wie man als Vater agieren sollte.“

Es war ein unglaubliches Gefühl einfach verstanden zu werden. Plötzlich erkannte ich die Wiederholung der Geschichte. Sein Vater ist nach dem Zweiten Weltkrieg auch einfach aus seinem Leben verschwunden. Da war er 8 Jahre alt. Ein Jahr jünger als ich, als mich dieser Schicksalsschlag traf. Sein Vater ist nicht gefallen, sondern er hatte nach den Erlebnissen des Krieges einfach keine Lust mehr zu einer Alkoholikerin in ein Hamburger Arbeiterviertel zurückzukehren. Er hat in Grömitz an der Ostsee mit einer neuen Frau eine neue Familie gegründet und nochmal angefangen. Und wenn man ihn auf dem Sterbebett gefragt hätte, ob er die Entscheidung bereut hat, hätte er wahrscheinlich verneint.

Mein Vater hat es letztendlich genauso gemacht. Als meine Mutter fremdgegangen und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist. Und er sagt heute noch:

Das war das beste, was mir passieren konnte.

Als meine Mutter mit dem späteren Vater meiner Halbschwester ins Bett stieg und aus seinem Leben verschwand, hatte er nach einer kurzen Zeit der Verletzung die Chance sein Leben neu zu starten. Das Leben mit seiner zweiten Frau war besser als alles, was er vorher je hatte. Auch wenn seine Frau nach meinen Maßstäben weit von einem wirklich respektvollen Miteinander entfernt war, so war sie doch nach seinen Maßstäben ein Quantensprung. Es ist halt schon ein Unterschied, ob man seine 16-Jährige Tanzpartnerin schwängert, und diese in den späten 50ern heiraten muss, oder ob eine erwachsene Frau entscheidet „mit diesem Mann will ich meine Kinder bekommen“ und ihr Familienprojekt in den 70ern freiwillig mit dir angeht. Er sagt selber, dass er in der Ehe mit meiner Mutter kein guter Ehemann war, aber es gehören leider auch immer zwei dazu, wie sich eine Beziehung entwickelt. Wenn meine Mutter später klagte, meine Stiefmutter hätte den Mann bekommen, den sie immer gerne gehabt hätte, und keiner ihrer nachfolgenden Partner auch nur ansatzweise diesem Wunschbild nahegekommen ist, dann ist der Vermutung schon begründet, dass es bei meinen Eltern nicht anders war. Aber damals war es noch ein Tabu an seinen Kindheitsdefiziten zu arbeiten, denn wie meine Mutter sehr schön sagte „Eine Therapie ist ein Makel, den man nie wieder loswird.“ Dann ist man halt meist dazu verdonnert seine Geschichte zu wiederholen.

Das ist für mich auch das größte Problem von Kindern, die mit alleinerziehenden Eltern (in der Regel ohne Vater) aufwachsen. Es ist für Mädchen und Jungen ein ähnliches Problem, wenn sie nie die Chance hatten mit einem normalen Mann in Form ihres Vaters den Realitätsabgleich durchzuführen und ein eigenes Rollen- oder Partner- Bild zu entwickeln. Der einzige „Vorteil“ den Jungen hier haben, ist, dass sie im Falle einer Trennung eher in den Schuhen ihres Vaters stehen und somit gezwungen sind, sich mit ihren Defiziten auseinanderzusetzen, während Mädchen die Verantwortung einfach beim Partner abwälzen können. Der Vater ist in diesem Weltbild halt nicht wichtig. „Ich kann das alleine, so wie meine Mutter.“ lässt sich für eine Frau nach der Trennung vertreten, ohne im Widerspruch zur eigenen Person zu sein. Wer ein schönes Beispiel dafür aus der Promiwelt haben will, der braucht sich nur Angelina Jolie ansehen, die sich dem Vater ihrer Kinder gegenüber genauso verhält, wie ihre Mutter ihrem Vater Jon Voight gegenüber. Wenn ich aber, als derjenige, der seine Kinder liebt allerdings plötzlich in die Position gedrängt werde unwichtig oder irrelevant zu werden, dann gibt es zwei Möglichkeiten:
1.) Sich jemand anderen suchen mit dem man weiter macht, bis es irgendwann mal klappt
2.) Wenn Du Dir sagst: „Das will ich für meine Kinder nicht.“: Diese Problemen und Defizite aufarbeiten, und dann für sich selber entdecken was es heißt Vater zu sein.

Aus eigener Erfahrung sage ich, dass das der schwerere Weg ist, aber definitiv nachhaltiger und es gibt für mich nichts Schöneres, als die Entwicklung meiner Kinder miterlebt zu haben, und ihnen bei Problemen und Sorgen mit Rat und Tat zur Seite gestanden zu haben. Und ich bin mir sicher, dass sie meine Familiengeschichte nicht wiederholen werden.

 

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