Wechselmodell als Standard? – Wie utopisch!

Eltern bleiben - Ein Leben lang

Wechselmodell als Standard? – Wie utopisch!

30. April 2017 Familienrecht/Utopien 1
Die FDP scheint sich wirklich darauf vorzubereiten, ein Alleinstellungsmerkmal für die Bundestagswahl 2017 zu generieren.
Immer häufiger liest man, dass sie das Thema Wechselmodell als Standard in ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl aufnehmen will. Zuletzt in der Welt.
Nicht nur am Wochenende beim Vater: Scheidungskinder sollen eine „Doppelresidenz“ haben, findet die FDP. Sie will das „Wechselmodell“ gesetzlich verankern.
Sobald das Thema irgendwo in den Sozialen Netzwerken aufgegriffen wird tauchen sie umgehend auf, die Mütter aus der Mütterinitiativee und anderen Mütterlobby-Organisation, die ihre Privilegien schwinden sehen und beten ihr alternative Fakten runter, nach denen dieses Modell, welches mittlerweile in 22 europäischen Ländern Standard ist, traumatisierte Kinder hinterlässt. Auch wenn sie dafür leider bislang jenseits von Einzelmeinung, wie denen des Juristen Dr. Löhnig keine wirklich schlüssigen Studien vorweisen können. Im Gegensatz zu den Wechselmodell-Verfechtern zu denen auch der Verband beruftätiger Mütter e.V. gehört. Eine der umfangreichsten Studien zu diesem Thema, kommt zum Beispiel aus Schweden, wo 30-40% der Kinder nach der Trennung im Wechselmodell leben. Diese kommt zu einem sehr deutlichen Ergebnis.
Children with non-cohabitant parents experience more psychosomatic problems than those in nuclear families. Those in joint physical custody do however report better psychosomatic health than children living mostly or only with one parent. Longitudinal studies with information on family factors before and after the separation are needed to inform policy of children’s postseparation living arrangements.
Kinder aus Residenzmodell-Haushalten (non-cohabitant parents) leiden häufiger an psychosomatischen Problemen, als jene die in Kernfamilien groß werden. Kinder aus Wechselmodellhaushalten (joint physical custody) haben einen besseren Gesundheitszustand.

Schöne Beispiele für den Begriff postfaktisch findet man auf einem aktuellen Post von Daniel Föst (FDP), der gerade versucht die Forderung nach dem Wechselmodell im Wahlprogramm der Liberalen zu verankern.

danielfröst

Als beliebtes „Argument“ gegen einen Standard „Wechselmodell“ wird immer wieder angeführt, dass es keinen Standard im Sorgerecht geben könne. Zu mindestens nicht, wenn er vom gegenwärtigen Standard „das Kind kommt zur Mutter“ abweicht.
Das größte Problem dieser „Kritiker“ ist vermutlich in einer Sprachverwirrung begründet.
Es gibt einen Unterschied zwischen „Pauschal“ und „Standard“.
Eine Standardlösung beschreibt der DUDEN als „grundlegende Lösung„. Das heißt eine Lösung die jeder bekommt. Auf der man aufbauen kann, bei der sich natürlich beide Parteien auf Augenhöhe darauf über Abweichungen vom Standard einlassen.
Pauschal hingegen definiert der Duden hingegen als „im Ganzen, ohne Spezifizierung“ oder „sehr allgemein [beurteilt], ohne näher zu differenzieren“
Ein Beispiel wie sich das im allgemeinen Leben auswirkt:
Bei einem Standardangebot gibt es z. B. ein Angebot, mit einigen inkludierten Optionen. Wenn ihnen die Optionen, nicht zusagen, dann können sie (manchmal gegen Aufpreis oder anderes entgegenkommen) einzelne Optionen austauschen.
Das kennt doch fast jeder zum Beispiel bei einem Onlinehänder wie Amazon. Standardversand bedeutet: Sie warten 2-3 Werktage. Dazu wird aber niemand gezwungen, wenn die Ware verfügbar ist. Sollen die Logistikabteilung und der Kurier etwas schneller arbeiten, nehmen sie Aufpreis für „Evening-Express„-Versand, nehmen ein Prime-Abo nehmen oder Kaufen für mehr als 20€ ein, dann bekommen sie die Ware im Primeversand Morgen oder sogar schon heute Abend.
Ein Pauschal heißt: Friss oder Stirb. Wenn ein Versandhaus pauschal den Versand abrechnet wartest du halt. Wenn du nicht warten willst musst du zu einem anderen Händler gehen.
Das Wechselmodell als Standard bedeutet nicht, dass es allen Trennungsfamilien aufgezwungen wird, egal wie die Umstände aussehen, oder ob ein Elternteil überhaupt die Zeit aufbringen will. Das wäre nur in einer Pauschallösung der Fall, die „sehr allgemein [beurteilt], ohne näher zu differenzieren“. Die will aber keiner. Auch die FDP nicht.

Bei einer Standardlösung heißt es, dass davon ausgegangen wird, das zwei Menschen, die sich bereit erklären gemeinsam die Verantwortung für ein Kind übernehmen (was die Mutter durch Austragen der Schwangerschaft, und der Vater durch Anerkennung der Vaterschaft tut),  beide die sittliche Reife haben, für dieses Kind zu sorgen. Es wäre wohl ein unangebrachter Sexismus, dass diese Qualifikation nur bei einem Geschlecht liegen kann

Man geht davon aus, dass beide als Paar oder als getrennte Eltern in der Lage sind, im Interesse des Kindes, als erwachsene Menschen selbstständig Lösungen zu entwickeln. Bei den meisten Eltern funktioniert das auch, und die Vermutung, die sich aus den Schwedischen Erfahrungen auch bestätigen ist, dass wenn es keinen finanziellen Anreize mehr gibt und Eltern gesellschaftlich geächtet werden, die wider dem Kindeswohlinteresse das Kind als ihren Besitz behandeln, dass Eltern diese Lösungen dann meist auch ohne die Gerichte finden.
Wenn der eine Elternteil nun sagt: „Hey ich will aber gar nicht das Kind betreuen“, dann kann man ihn natürlich nicht zwingen. Wenn Mutti sagt: „ich will lieber auf meinen Vorstandsposten hinarbeiten“ kann sie das genau so tun, wie Papa wenn er findet, dass die Kindesbetreuung komplett seiner neuen Beziehung zuwider läuft. Dann muss er seine Fürsorgepflicht halt durch Barunterhalt leisten wie heute auch.
Wenn ein Elternteil sagt: Der andere Elternteil kann sich gar nicht um das Kind kümmern weil er oder sie AlkoholikerIn oder gewalttätig ist, dann kann der andere Elternteil fordern, dass das Kind zum ihm kommt. Wenn der andere Elternteil sein eigenes Defizit nicht einsieht oder keinen Unterhalt zahlen will, dann wird das ggf. vom Gericht geprüft. Denn nicht alles was Eltern manchmal für kindeswohlabträglich halten, ist es bei neutraler Betrachtung wirklich kindeswohlabträglich. Im anderen Fall  ist manchmal der andere Elternteil vielleicht auch einfach nicht Zahlungsfähig. Im Endeffekt entscheidet in diesen Fällen das Gericht, ob der Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil bleibt, oder wie hoch der angemessene Unterhalt ist.
Je mehr Elternteile nun meinen, mit der Drogen- oder Gewaltkeule ihren Egoismus durchzusetzen, und einen gehassten Ex-Partner zu diskreditieren, desto weniger gründlich wird in solchen Fällen natürlich die angesetzte Einzelfallprüfung laufen können. Insofern wird man hier mittelfristig ggf. über sorgerechtliche Konsequenzen beim Missbrauch mit solchen Vorwürfen nachgedacht werden müssen, schon um wirkliche Opfer zu schützen
Aber die Erfahrungen aus den Sorgerechtsänderungen aus dem Jahr 1998 zeigen sehr deutlich, dass Eltern, wenn man sie in eine gleichberechtigte Position bringt, eher in der Lage sind Probleme auch ohne Gerichte zu lösen. Die von der alleinerziehendenlobby prophezeite Klagewelle ebbte schnell ab, nachdem die SorgerechtsverweigerInnen merkten, dass man nicht mit jeder haltlosen Unterstellung gewinnt. Selbst jene Eltern, die Anfangs gegen das gemeinsame Sorgerecht vorgehen wollten, haben später mehrheitlich zugegeben, dass das der Zustand im gemeinsamen Sorgerecht ihre negativen Erwartungen nicht erfüllt hat, und sie im Gegenteil zufriedener sind. Väter die Anteil am leben ihrer Kinder haben zahlen zuverlässiger Unterhalt (der natürlich auch im Wechselmodell ein Thema ist, wenn der Einkommensunterschied zu groß ist). Das alles ist sehr schön in der Studie die Professor Proksch im Auftrag des Justizministerium erstellt hat nachzulesen. Wer dafür keine 79€ ausgeben möchte findet mit etwas Recherche  das PDF auf den Servern des Justizministeriums. Die ändern leider gefühlt alle drei Wochen die Verzeichnisstruktur, weswegen das Verlinken dorthin nicht viel bringt.
Bei der Betrachtung der Anzahl von Sorgerechtsfällen, die gegenwärtig vor Gericht behandelt werden müssen, ist die Forderung nach einem Standard Wechselmodell der einzige sinnvoll gangbare Weg, den gegenwärtigen Sexismus im Familienrecht zu beenden. Standardmäßig ist davon auszugehen, dass beide Eltern in der Lage sind, sich verantwortungsvoll um die Kinder zu kümmern.
Gesetze sollten hier ein möglichst hohes Maß an Gleichberechtigung zwischen den Eltern schaffen, damit Gerichte sich nur um jene Fälle kümmern müssen, wo Eltern nicht in der Lage sind, mit dem ihnen gegebenen Vertrauen verantwortungsvolle Lösungen zu finden.
Sprich wenn der eine Elternteil, der sich nicht kümmern will, seiner Verantwortung via Unterhaltszahlung nicht nachkommen will, oder ein Elternteil aus Kindeswohlgründen vom Kind ferngehalten werden muss, bzw. ein Wechselmodell wegen räumlich Distanz nicht umsetzbar ist, und der andere Elternteil das nicht einsehen mag.
Wenn die Mütter gegen einen Standard Wechselmodell wettern und so tun als wären gewalttätige, drogenabhängige Väter der Standard vor deutschen Gerichten, und glauben, dass deswegen in der Rechtsprechung anders herum verfahren werden müsste, dann frage ich mich schon ein wenig wie weit es mit dem Verantwortungsbewusstsein solcher Mütter ist, wenn sie mit den Segnungen der Familienplanung so schlecht umgehen konnten, dass sie mit so vielen Vollpfosten soviele Kinder in die Welt gesetzt haben.
Letztendlich haben Frauen hier eigentlich von der Pharmaindustrie und vom Gesetzgeber alle Möglichkeiten an die Hand gegeben bekommen, dass es absurd ist davon zu sprechen, Mütter wärden rechtlos, wenn man davon ausgeht, dass sich Eltern Entsprechend Artikel 6 unseres Grundgesetzes gleichberechtigt der Pflicht zur Fürsorge nachkommen.
Es ist schon erstaunlich, wenn man die ganzen Verschwörungstheorien der Mütterlobby liest. Dagegen wirken die Chemtrail-Jünger manchmal fast realitätsnah.
Angeblich hat sich der Europarat bei seiner Resolutions 2079 nur von der so unglaublich einflussreichen Väterlobby manipulieren lassen. Die ominöse Vaterlobby schafft es zwar kaum eine Demonstration mit mehr als 50 Leuten auf die Straße zu bekommen, aber den Gerüchten der Mütterlobby zufolge sind sie vom politischen Einfluss her gleich hinter der Amerikanischen NRA und der Öl-Lobby anzusiedeln. Wenn man als Psychologiestudent Anschauungsmaterial für eine vorangeschrittene paranoide Psychose haben möchte: Hier werden sie gewiss fündig.
Im Grunde genommen sind die meisten „KritikerInnen“ keine Kritiker, denn dafür fehlen ihnen meistens wirklich sachliche Argumente. Die meisten von ihnen sind Besitzstandwahrerinnen, die sich leider nicht daran gewöhnen wollen, dass Gleichberechtigung, nachdem wir sie seit 40 Jahren im Arbeitsrecht haben, nun langsam auch im Familienrecht ankommt.
Wenn ich das postfaktische Gezeter der Mütterlobby in den Sozialen Netzwerken sehe, denke ich immer an das letzte Mirna Funk Interview in der Editions F, wo sie sich fast menschenverachtend über die wütenden, alten, weissen Männer geäußert hat. Wäre ich Mirna Funk und die Edition F würde mich interviewen würde ich den Aufstand der Mütterlobby vermutlich so beschreiben:
„Deswegen bäumen sich ja auch die alleinerziehenden Mütter gerade noch mal auf. Wie ein Tier kurz vorm Tod. Sie spüren sehr wohl, dass die Zeit für sie gekommen ist.“

 

Eine Antwort

  1. Markus Hofmann sagt:

    Hallo Herr Bierend,

    Ein klasse Statement.
    Bei der Diskussion zum Thema ist eine Menge Irrationalität im Spiel. Besonders auf Seiten der Gegner
    des Wechselmodells scheint sich eine regelrechte Panik auszubreiten.
    Der Unfug, der da geredet wird ist geht bis zur Realitätsverleugnung.
    Besonders dann wenns ums Thema Unterhalt geht, wirds besonders irrsinnig.
    Angeblich leistet ein Vater, der seine Kinder betreut, dann keinen Unterhalt mehr
    und ähnlicher Unfug…..
    Ich wünsche den Befürwortern eine gute Portion Rationalität und Souveränität.
    Wie in diesem Statement.
    Die besseren Argumente haben sie.

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