10 Jahre – Es geht voran – Ein Resümee

Eltern bleiben - Ein Leben lang

10 Jahre – Es geht voran – Ein Resümee

20. April 2012 Er-/Beziehung 2

Mal was erbauliches:

2001: meine damalige Frau verkündet sie wolle von Berlin nach Hamburg zurückziehen, den Alltag ausblenden eine Wochenendbeziehung führen. Hilflos, was ich noch machen kann um diese Ehe funktionieren zu lassen willige ich ein, um festzustellen, dass sie eigentlich nicht den Alltag mit mir ausblenden wollte, sondern Mich aus ihrem und dem Alltag unserer Kinder. Was folgt ist schlimmer als jede RTL-Scheidungsoper (weil ich es selber erlebe, nicht weil die gruselige Fantasie eines RTL-Autoren dafür nicht ausreicht. Pöbeleien am Telefon vor den Kindern, die genau wissen, wer am anderen Ende der Leitung den Hass und die Beleidigungen abbekommt. Ich 300 KM von meinen Kindern entfernt. entfernt von meinem Sohn, der als 5 Jähriger unter der Trennung leidet. Noch immer in der Rolle des Familienernährers, (Mein Geschäft in Berlin fängt gerade richtig an zu brummen) weiß nicht wie ich seinem Wunsch nach mehr nähe entgegen kommen kann. Als wir im September 2001 alleine zwei Wochen in Schweden sind und er mir sagt, dass er nach Berlin zurück will, geschieht es dann. Ich verspreche ihm, wenn wir das wirklich will, dann werden wir das schaffen. Eine Aussage aus dem Bauch heraus. Ohne Plan, wie ich das eigentlich gehen soll.

Dann:

Ein Jahr später zieht mein Sohn wieder nach Berlin, plötzlich findet sich eine Basis für ein gedeihliches elterliches Miteinander.

Ich lasse meinen Sohn wieder nach Hamburg ziehen, ich ziehe zwei Jahre später (sobald es beruflich realisierbar ist) hinterher, um das Wechselmodell als Vorreiter in unserem Bekanntenkreis zu praktizieren.

Nach 4,5 Jahren zieht mein Sohn fest zu mir und ein Jahr später folgt ihm seine Schwester.

Heute: Zehn Jahre Später leben heute mit festem Lebensmittelpunkt bei mir, aber nicht weil irgendein Richter oder eine Amtperson es ihnen vorgeschrieben hätte, sondern, weil sie nach der Erfahrung in beiden Haushalten  die Entscheidung treffen.

Meine Ex-Frau und Ich sitzen im Gespräch mit dem Familientherapeuten, der gerade eine Gesprächstherapie mit unserer Tochter macht, um die Nachwirkungen der Trennung aufzubereiten. Wir sind erwachsen, am Wohlergehen unserer Kinder interessiert und beide gerührt, wenn er uns erzählt was für reife und großartige Kinder wir hätten. Wir diskutieren sachlich über Konflikte, welche sich hauptsächlich damit lösen lassen, dass wir es vermeiden unsere Kommunikation über die Kinder laufen zu lassen, sondern direkt miteinander sprechen, denn auch eine Botschaft wie „Mutti kann uns nächstes Wochenende nicht übernehmen“ birgt riesiges Konfliktpotential für ein zwölf jähriges Mädchen mit dem Hang zu viel Verantwortung zu übernehmen, weil ich ja vielleicht mein Wochenende schon verplant habe, und meine Tochter natürlich spürt, dass mich diese Spontanität ihrer Mutter erst mal ärgert und weil sie versucht das dann auszugleichen. Wir finden immer schnell Lösungen und Einverständnis, und meine Ex-Frau bemerkt lobend das ich meiner Tochter offensichtlich inzwischen gut beigebracht hätte sih abzugrenzen, die Verantwortungspakete zurückzugeben und „nein“ zu sagen. und ich nehme es an, wenn sie mir sagt, ich solle bitte gleiches bei unserem Sohn tun, auch wenn er drei Jahre älter ist, und er inzwischen einen souveränen Umgang mit seiner Mutter gefunden hat, den ich nach 43 Jahren mit meiner noch nicht gefunden habe, fällt es ihm natürlich trotzdem schwer seiner Mutter zu sagen, dass er lieber mit Freunden das Wochenende verbringt, als in der Wohnung seiner Mutter, welche nach der Geburt seines Halbbruders viel zu klein ist. Wir treffen die Verabredung, das feste Mutterwochenende unseres Sohnes einfach sein zu lassen, weil sie es sowieso besser findet auch exklusive Zeit mit ihm individuell zu verabreden und meinem Sohn scheint das auch besser zu tun, weil er sein Wochenende dann auch ohne schlechtes Gewissen genießen kann.
Und selbst den großen Knackpunkt, wo sich zeigt wie viel Vertrauen inzwischen wirklich gewachsen ist, ihre Sorge rüber die Tatsache, dass mein Sohn das erste Mal an einem Joint gezogen hat. kriegen wir nach längerer Diskussion einvernehmlich aus der Welt. Sie weiß, dass ich als Abstinenzler einen sehr genauen Blick darauf habe was in dieser Hinsicht bei meinem Sohn passiert, und aufgrund der Tatsache, dass mein Sohn mir am nächsten Tag gleich davon erzählt hat, schließt sie, dass ich genug vertrauen beim ihm genieße, dass da nichts unentdeckt aus den Bahnen gerät.
Letztendlich ist es schön zu sehen wie viel Hochachtung sie für ihn gewonnen hat, seit er bei mir lebt. Er ruht in sich, in einem Selbstvertrauen das für einige seiner Lehrer schon angsteinflößend wirkt und er ist selbstbewusst genug, dass er sich nicht in eine Mode presst. er geht im Schottenrock ebenso souverän zur Schule, wie im Matrix-Ledermantel mit Schweißbrille oder auch mal ganz normal mit Stoffhose und Metal-T-shirt. und wenn ihn ein Metaller oder Gothic dumm anlabert was für ein Fake er wäre, weil er den Dresscode ignoriert dann ärgert er sich vielleicht im ersten Moment darüber wie dumm und oberflächlich einige Menschen sein können, und kommt zu dem Schluss eigentlich wollte er doch nie ein Metaller sein.
Und als meine Ex-Frau schließlich noch von ihrer Familienaufstellung erzählt und zu „meiner“ Position kommt wird mir richtig warm ums Herz. So schön kann also ein respektvoller Umgang miteinander sein… Ich glaube in unserer gesamten Beziehung hat sie nie auch nur annähernd so positiv von mir gesprochen.
Ich weiß nicht, was in fünf Jahren sein wird, aber heute weiß ich… Moment, eigentlich hat mir mein Philosophiestudium den achtlosen Gebrauch des Satzes „ich weiß…“ verleidet,… Trotzdem! Heute bin ich Glücklich und weiß, dass ich in den letzten Jahren einiges richtig gemacht habe, und egal wie tief die Scheiße war, durch die ich teilweise stiefeln musste. Jeder Zentimeter war wichtig und es wert gegangen zu werden.
Und wenn jetzt irgendjemand wissen will wie er das Gleiche schafft?
Tut mir leid, das einzige was ich sagen kann, ist in Anlehnung an den schönen „The The“-Song „Lonely Planet“: „Wenn du die Welt nicht ändern kannst ändere dich, und wenn das dann irgendwann nicht mehr weiterhilft, denn nimm Dir von dieser neuen Position nochmal die Welt vor.“ Seinen Anteil der Verantwortung auszusortieren und ihn zu übernehmen, um seinen Weg zu finden im Interesse der Kinder und im Interesse der Selbsterkenntnis. Ich habe auf diesem Weg so viel über mich und verkorkste Familienkonstellationen gelernt, dass das jeden Rahmen sprengt.
Wie heißt es in The Matrix so schön „Know thyself“ erkenne dich selbst und meist findet dein Weg meist dich. Manchmal bedeutet der Weg Konflikt und Auseinandersetzung, manchmal bedeutet er Pflege von Eitelkeiten und Friedlieben. Leider gibt es selten einfache Antworten, manchmal muss man variieren, liebgewonnene Werte über Bord werfen, weil sie einen am Vorankommen hindern.
Jeder der glaubt eine einfache Lösung für einen solch emotionalen Konflikt wie Trennung und Kindesentzug zu haben ist ein oberflächlicher Idiot.

2 Antworten

  1. Ulli Foth sagt:

    Hallo Lutz, ich habe mit sehr viel Interesse Deine Artikel gelesen und muss sagen, dass ich doch recht beeindruckt bin, was Du so alles für Dich rausgefunden hast.
    Ich selbst bin noch auf der Reise, aber immer voller Hoffnung 🙂
    Vielleicht erinnerst Du dich, dass wir uns auf der Seite von Xing kennen lernten. Ich es aber nicht geschafft habe mal nach Hamburg zu fahren und einen Gedankenaustausch mit dir zu haben, hoffe aber es mal zu schaffen.
    Bis dann

    Ulli

    • Fatherleft sagt:

      Hi Ulli,
      klar erinnere ich mich. Freut mich dass die Hoffnung noch da ist. nach dem letzten was du geschrieben hast sah es ja auch gar nicht so düster aus. Ich würde mich freuen, wenn wir das noch mal schaffen. Allerdings bin ich diesen Monat schwer eingebunden mit Heiraten und solchen Sachen.
      Viele Grüße
      Lutz

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